Clara / Paula / Januar 2020


Ich hatte … oft dieses Bild … [einer] Frau vor Augen, die … diese Briefe von der Behörde aufmacht, wo dann wieder irgendwie drinsteht: „Ablehnung“ und dass sie sich dann wieder hinsetzen musste und dann neue Anträge stellen musste und dann neu begründen musste, warum sie Geld braucht und dann hatte ich[ein] Bild vor dem inneren Auge von so einer älteren Dame, die halt … um Unterstützung kämpfen muss … Das ist eine reale Geschichte von jemandem – ohne dramatischen Soundtrack im Hintergrund und irgendwie ein dunkles Bild, generell ohne eine Vorlage, wie man sich dazu zu verhalten hat … Das sind auch die Sachen, an die ich mich noch erinnere, die Momente, wo ich gedacht habe: „Wow, das ist was Neues, was ich gerade sehe, das ist nicht wie im Film, das ist jemand, der in Darmstadt gewohnt hat, wo man rein theoretisch über den gleichen Bordstein gelaufen ist, worüber er auch gelaufen sein könnte und die Frau mit den Kniestrümpfen, die sie sich erbetteln musste“ … das hat einen irgendwie nochmal ganz anders mitgenommen …
Clara und Paula erinnern sich an ihre Recherchen zum Kampf der Elisabeth Stephan um Entschädigung. Sie war die Frau des Darmstädter Kommunisten Heinrich Stephan (1901-1945), der als Gegner des NS-Regimes wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ in Butzbach und Marienschloß inhaftiert, in das KZ Dachau verschleppt und schließlich im Strafbataillion 999 zwangsverpflichtet wurde. Er starb wahrscheinlich in russischer Kriegsgefangenschaft in Baschkir/Ural.

 

„Dieser Besuch in Dachau … hat einen … geerdet. Im ersten Moment hatte man all diese Gedanken: Hier stand jemand, hier standen all diese hundert Leute, abgemagert, … dahinten lag ein großer Berg von Leichen und man stellt sich das bildlich vor und ist total überrumpelt davon, aber schlimmer als das geht [es] ja im Grunde nicht. Und ab da hast Du im Grunde den Weg geebnet … zurückzutreten und sich zu sagen: das sind jetzt die schlimmen Bilder, die in meiner Vorstellung dabei hervorgerufen werden, aber jetzt habe ich erst recht die Pflicht, mich damit auseinanderzusetzen und nicht immer nur die emotionale Sicht darauf zu haben und das auf mich zu beziehen, was das mit den Gefühlen mit mir macht, sondern einfach ein Faktenwissen aufzubauen und die Biografien wertzuschätzen. Ich glaube, wenn man das gemacht hat, wenn man dafür ein Verständnis entwickelt hat, dann geht man nicht zum Beispiel, was viele machen, zu dem Berliner Holocaustdenkmal und macht ein schönes Instagram-Bild … Ohne einen Kontext wäre es nur verstörend gewesen, ohne Kontext hätte man es garnicht verstanden.“

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