Aus dem Fundus der Ausstellungsexponate, die in Kooperation mit der Darmstädter Geschichtswerkstatt entstanden sind, ist neben dem Konzert an der Akademie für Tonkunst auch eine Ausstellung mit grafischen und bildnerischen Werken sowie Dokumenten von Willy Walther zu sehen, die Rainer Lind gemeinsam mit Nachlasspfleger Karl-Reinhard Volz über Willy Walther kuratiert hat. Bei dieser Gelegenheit entstanden auch die Interviews mittags vor Ausstellungseröffnung und dem Konzert im Atelierhaus Darmstadt.
Karl-Reinhard Volz: „Irgendwann hat meine Großmutter Anna, also Willys älteste Schwester, festgestellt, dass ich mich so sehr für Willys Nachlass und sein Leben interessiere, dass sie mir offiziell die Rolle des Nachlassverwalters übertragen hat. Sie gab mir all die Briefe, die sie besaß, auch aus dem Elternhaus. Sie drückte mir ein Bündel Kompositionen, Zeichnungen und andere Unterlagen in die Hand und sagte: „Das ist alles, was wir von Willy haben.“
Es gab jedoch noch Willys jüngste Schwester, Hilde, die in Darmstadt in der Martinstraße lebte. Ich schrieb ihr immer wieder und fragte: „Tante Hilde, hast du nicht noch irgendwelche Unterlagen von Willy?“ Kurz vor ihrem Tod ist sie offenbar einmal auf den Dachboden des Elternhauses gestiegen und hat dort zwei Koffer gefunden, mit denen sie nichts anfangen konnte. Sie wusste nicht, woher sie stammten. Auf einem der Koffer stand der Name „Wilhelm Walther“. Als sie die Koffer öffnete, fand sie in einem hauptsächlich Kleidungsstücke, und im anderen waren Bücher, Briefe, Zeitschriftenartikel und kleine Gegenstände.“
Karl-Reinhard Volz über Willy Walther
Über die Person und Lebensstadionen Willy Walther
„Obenauf lag ein Zettel aus dem KZ Dachau, unterschrieben von einem Sturmbannführer, der an die Eltern gerichtet war. Darauf stand: „Anbei übersenden wir Ihnen die überzähligen Effekten Ihres Sohnes Wilhelm Walter.“ Das Ganze war vom Mai 1937. Willy Walter wurde im Februar 1937 nach Dachau gebracht, und offensichtlich wurden ihm seine Sachen sofort abgenommen und katalogisiert.
Es ist fast pervers zu nennen, mit welcher Akribie Willys persönlicher Besitz aufgelistet wurde. Das Dokument war mit Schreibmaschine geschrieben und handschriftlich ergänzt worden. Eine zweite Person hatte die notierten Gegenstände, die von einem Wollknäuel über einen Bleistift bis hin zu einem Korkenzieher reichten, abgehakt. Danach hatte eine dritte Person in einer anderen Farbe noch einmal gegenkontrolliert, um sicherzustellen, dass alles stimmte und der Inhalt vollständig war.
Diese Koffer wurden dann nach Darmstadt geschickt. Hilde erzählte mir, dass die Eltern den Koffer offenbar nie wirklich geöffnet hatten. Vielleicht hatten sie einmal hineingeschaut, ihn aber dann zugemacht und beschlossen, dass es sie zu sehr belastete. Möglicherweise war der Vater damals schon gestorben, und es könnte sein, dass die Mutter sich allein damit auseinandersetzen musste. Tante Hilde sagte mir schließlich: „Da sind zwei Koffer. Komm doch mal nach Darmstadt, einen haben wir schon ausrangiert.“ Textpassage aus dem Interview mit Karl-Reinhard Volz
Wilhelm Walther wurde am 28. Januar 1889 in Grebenau als ältester Sohn des Dr. Philipp Walther, Oberförster und großherzoglich-hessischer Ministerialrat (Abb. 1), und Pauline geb. Heß geboren. Sein Bruder Erwin war im Ersten Weltkrieg gefallen. Willy Walther – wie er sich auch offiziell nannte – besuchte das Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt und studierte anschließend evangelische Theologie u.a. in München, Heidelberg, Marburg an der Lahn und Tübingen.
(Abb. 14) Liste aus dem KZ Dachau vom 2.5.1937 mit genauer Aufzählung der „überzähligen Effekten“ von Wilhelm Walther; die drei Koffer enthielten alles, was er besaß, in Dachau aber nicht behalten durfte. Rd. 40 Jahre später wurden die Koffer, noch immer ungeöffnet, auf dem Dachboden des Elternhauses in Darmstadt entdeckt.