Prof. Dr. Sebastian Omlor über Tokenisierung

Tokenisierung beschränkt sich nicht auf Finanzprodukte – auch CO₂-Zertifikate oder Anwendungen im Energiesektor zeigen ihr Potenzial. Für Start-ups ebenso wie für etablierte kleine und mittelständische Unternehmen geht es darum, die Chancen dieser Technologie zu erkennen und praktisch nutzbar zu machen. Neben der zentralen Frage der Rechtskonformität – was ist erlaubt, was nicht, und wie lässt sich das rechtskonform umsetzen – besteht eine der größten Herausforderungen darin, Bewusstsein für diese Möglichkeiten zu schaffen.

Das Projekt „KryptoFi“
Genau hier setzt unser Projekt „KryptoFi“ an. Es verfolgt zwei zentrale Ziele: Zum einen wollen wir Bewusstsein schaffen – im besten Sinne Marketing für die Potenziale der Tokenisierung. Es geht darum, deutlich zu machen, was Tokenisierung ist, welche Anwendungsfelder es gibt und welche Chancen sie für Wirtschaft und Gesellschaft eröffnet. Zum anderen wollen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen klären, insbesondere im Finanzmarktbereich: Wo kann Tokenisierung bereits heute rechtskonform eingesetzt werden, und welche Restrisiken bestehen noch?

„KryptoFi“ verbindet damit wissenschaftliche Analyse mit praktischer Unterstützung. Es trägt dazu bei, die Möglichkeiten der Tokenisierung sichtbar zu machen und zugleich verlässlich einzuordnen – zum Nutzen von Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft.

>>> Mehr über das Projekt KrypToFi / TOKENISIERUNG – Praxiswissen für KMU und Startups (KrypToFi)

Prof. Dr. Sebastian Omlor: „Mein erster Kontakt zu Blockchain ist eine Gedächtnis Nachforschung. Weil ich in der Tat noch mal überlegen muss, wo der genau der erste Kontakt wirklich herkommt, wo er zustande kam. Ich würde sagen, es gibt so zwei Erzähllinien an dieser Stelle. Die eine kommt daher, dass ich ursprünglich mich schon seit dem Jahre 2010, seit dem Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn mit dem Zahlungsverkehr und mit Geld befasst habe, vor allem aus juristischer Sicht.

Was ist denn Geld? Wie werden Zahlungen abgewickelt? Welche Prozesse laufen rechtlich ab? Wenn ich mit einer Kreditkarte beispielsweise in einem Supermarkt zahle oder im Onlinehandel zahle oder eine Lastschrift aufgebe, eine Überweisung tätige? Welche rechtlichen Fragen sind damit verbunden? Auch im Falle von Missbrauch etc.? Also ich komme so ein bisschen aus der Materie von Geld und Zahlungen und dann hat natürlich das Phänomen Bitcoin und alles, was damit zusammenhängt, natürlich einen unmittelbaren Geld und Zahlungsbezug und daher bin ich von dem Bereich Zahlungsverkehr und Geld in den in den Krypto Bereich hineingekommen.

Das ist eine Linie und die zweite Linie ist meine. Inspiration und Kontakte, die ich in Marburg an der. Nach meiner Berufung 2015 an die Universität Marburg hatte. Insbesondere der Austausch auch mit meinem Kollegen und Co Direktor an unserem Institut Florian Möslein. Gemeinsam sind wir auf Erkundungstour gegangen, was da erforscht werden sollte. Und die zwei Linien, glaube ich, haben mich in den in den Krypto Bereich gebracht.“
Prof. Dr. Sebastian Omlor: „Was ist überhaupt Zivilrecht? Was macht das Zivilrecht aus? Nun, in der Rechtswissenschaft gehen wir klassischerweise von einer Mehrsäulenaufteilung aus. Zumindest in der deutschen Rechtswissenschaft unterscheiden wir das Strafrecht, das öffentliche Recht und das Zivilrecht – oder auch Privatrecht. Wo wir die terminologischen Grenzen ziehen, lässt sich diskutieren; im Ergebnis können die Begriffe aber weitgehend synonym verwendet werden. Ich spreche hier einmal vom Zivilrecht.

Das öffentliche Recht – und dazu zählt im Kern auch das Strafrecht – ist geprägt von einem Über- und Unterordnungsverhältnis: Auf der einen Seite steht der Staat, auf der anderen die rechtsunterworfenen Bürgerinnen und Bürger. Jedenfalls, um es einmal ganz schablonenhaft zu sagen, handelt es sich hier um ein Über-/Unterordnungsverhältnis.

Demgegenüber ist das Zivilrecht von einem Gleichordnungsverhältnis geprägt: Private stehen sich auf Augenhöhe gegenüber und interagieren miteinander im Rechtsverkehr. Sie schließen Verträge, heiraten, klären Erbschaftsfragen, gründen Gesellschaften und vieles mehr – immer im Gleichordnungsverhältnis.

Das ist im Kern die Abgrenzung zum öffentlichen Recht und auch zum Strafrecht, wo es wiederum um Über- und Unterordnung geht, weil der Staat vorgibt: Das ist erlaubt, das ist verboten.“
Prof. Dr. Sebastian Omlor: „Und diese Tokenisierung gibt es natürlich nicht nur für Finanzprodukte, sondern etwa auch für CO₂-Zertifikate. Nimmt man den Energiesektor insgesamt, finden sich dort zahlreiche Anwendungsgebiete. Das heißt: Es geht darum, Bewusstsein zu schaffen für die Potenziale der Tokenisierung, für die konkreten unternehmerischen Tätigkeitsfelder von Start-ups, aber auch von etablierten kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das ist, glaube ich, eine große Herausforderung – neben der rein rechtlichen Frage: Was ist zulässig, was ist nicht zulässig und wie lässt sich das rechtskonform umsetzen?

Und genau hier setzt das Projekt „KryptoFi“ – bei diesen Herausforderungen – an.
Warum brauchen wir überhaupt dieses KryptoFi-Projekt, an dem wir hier arbeiten? Was ist der Mehrwert? Warum sollte man es fördern? Und welchen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen bringt es?

Wir wollen ein Bewusstsein schaffen: was kann man mit Tokenisierung machen? Was ist das überhaupt? Wo können wir damit hinkommen? An dieser Stelle geht es also zunächst darum, modern gesprochen „Awareness“ zu kreieren.

Die zweite Ebene besteht darin, auch beim Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen für Tokenisierung zu unterstützen – speziell im Finanzmarktbereich. Also: Für welche Anwendungsfelder lassen sich Tokens schon jetzt nutzen? Wo bestehen noch Restrisiken?“

Prof. Dr. Sebastian Omlor
Alle drei Beiträge als Audio 45 Minuten


Prof. Dr. Sebastian Omlor, LL.M. (NYU), LL.M. Eur.  ist Rechtswissenschaftler, und Professor für Recht an der Universität Marburg – dort am Institut für das Recht der Digitalisierung. Dieses Institut hat er 2018 gemeinsam mit einem Kollegen gegründet.

Das Forschungsziel des Instituts besteht darin, die zahlreichen neuen Rechtsfragen zu bearbeiten, die durch die digitale Transformation, den digitalen Wandel und den Prozess der Digitalisierung entstehen. Solche Fragen treten in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen auf – etwa in den Finanzmärkten, im Onlinehandel, auf Plattformen oder in weiteren Anwendungsfeldern.
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KrypToFi ist ein Vorhaben der Technischen Universität Darmstadt und der Philipps-Universität Marburg. Es wird kofinanziert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) der Europäischen Union.Beteiligte Wissenschaftler:innen
Prof. Dr. Petra Gehring, Technische Universität Darmstadt | mehr Information
Prof. Dr. Florian Möslein, Dipl.-Kfm., LL.M. (London), Philipps-Universität Marburg | mehr Information
Prof. Dr. Sebastian Omlor, LL.M. (NYU), LL.M. Eur., Philipps-Universität Marburg | mehr Information

 

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