Nach dem Abitur wusste er nicht wirklich, was er machen sollte – sicher war nur, dass er nicht studieren wollte. Das Abitur hatte ihn ziemlich geschafft. Er bewegte sich immer gerne und war am liebsten draußen. Dieses ständige Sitzen in einem Raum, höchstens mal zum Fenster hinauszuschauen, das hatte ihn angestrengt. Auch wenn er dabei viel gelernt hatte, war es nicht die Art zu lernen, die er weiter verfolgen wollte.
Er sagte sich: Jetzt will ich raus, das wahre Leben kennenlernen, und nicht immer nur überlegen, was vielleicht einmal sein könnte. Immer wieder hatte er diesen Gedanken, der ihn gleichzeitig reizte und erschreckte: einfach die Bauwagentür aufzumachen, loszulaufen und nie wieder zurückzukommen.
Doch das erschien ihm dann doch ein bisschen zu krass. Die Wanderschaft war da eine gute Lösung für ihn: in gewisser Weise organisiert, mit einer Kleidung, durch die man sofort als jemand erkannt wurde, der auf Wanderschaft war – und dafür auch Respekt bekam. Diese kleinen Vorschusslorbeeren erleichterten es ihm, das Ganze tatsächlich zu beginnen.
Aufgezeichnet im April 2016 // (c) www.rainer.lind.video // Hochgeladen am 12. Apr. 2016 um 16:38
NILS: „Das Berufsbild hat sich bei mir tatsächlich über die Bäume, über das Holz ergeben. Irgendwann war mir klar, dass ich gern etwas mit Holz machen wollte. Das hat mir einfach gefallen. Also habe ich, soweit ich mich erinnere, ein paar Praktika gemacht – immer bei Tischlern. Aber es war nie so, dass ich wirklich ein richtiges Stück Holz in der Hand gehabt hätte. Stattdessen habe ich Markisen montiert, OSB-Platten im Innenausbau verschraubt – und wenn ich doch mal Holz in der Hand hatte, war es meistens schon gehobelt, lackiert oder so weit bearbeitet, dass man kaum noch erkennen konnte, was es ursprünglich mal war.
Dann hat sich tatsächlich etwas über den Darwin ergeben. Der hatte Bauzeichner gelernt und mitgekriegt, dass ich am Suchen war und nicht so recht wusste, wo die Reise hingehen sollte. Und er meinte dann: „Geh doch mal zum Harald, mach da mal ein Praktikum, der ist ein super Typ.“
Das hab ich dann gemacht – und es hat mir gefallen. Wir haben ein Holzhaus gebaut, sehr vielseitig, jetzt nicht unbedingt aus dem tollsten Holz, aber immerhin Holz. Und Harald war sehr ruhig, hat gut erklärt, hat einen machen lassen. Das war gut. Also habe ich dort schließlich die Lehre angefangen – so war das eigentlich.
Wanderschaft: dann gibt’s ja verschiedene Schächte. Jedenfalls war ich auf ein paar Treffen, in Berlin, in Hamburg, und irgendwann sind mir die Freireisenden über den Weg gelaufen. Das war mir gleich sympathischer, alles irgendwie ein bisschen aufgeschlossener. Bei den anderen gab’s zum Beispiel keine Frauen, die mit auf Wanderschaft durften, weil es da angeblich noch so traditionell zuging. Aber ich hab nie verstanden, was daran traditionell sein soll, Frauen auszuschließen. Bei den Freireisenden war das anders. Das war auf einer Sommerbaustelle, ein riesiges Lager mit einem bunten Haufen, bestimmt 80 Gesellen. Da gab’s einen großen Platz mit Bauwagen und Zelten, dazu eine Scheune, eine Schwitzhütte und lauter Dinge, die man ausprobieren konnte.
Es gab Steinworkshops, Bildhauerei und noch vieles mehr. Nebenbei wurde die Scheune ausgebaut – das war das eigentliche Ziel – und sogar ein Wachturm im römischen Stil entstand. Überall konnte man ein bisschen mitmachen, zuschauen, ausprobieren. Ich selbst hab dort in sieben Tagen eine riesige Weltkugel aus Eiche geschnitzt.“