Also, alle Sinneseindrücke um sie herum – ob das nun Licht ist oder Farben oder Formen oder was sie spürt – fühlen sich für sie nicht so richtig zuordenbar an, eher verschwommen. Es gibt für sie keinen festen Raum, in dem sie sich bewegt, sondern eher so etwas wie einen Strudel, ein bisschen alles. Und darin kann sie sich auch nicht wirklich selbst lokalisieren.
Zum Beispiel, wenn sie an irgendwelche Erinnerungen denkt oder wenn sie etwas geträumt hat, fällt es ihr schwer zu unterscheiden, was tatsächlich stattgefunden hat und was nicht, und auch wann etwas geschehen ist und wann nicht. Und genau das ist für sie der Kern dieses Gefühls.
Manchmal ist es fast lustig: Wenn sie mit anderen Menschen darüber spricht und dieses Gefühl beschreibt, reagieren viele sehr positiv. Einmal hat sie das jemandem erzählt, und die Person meinte: „Ah hey, voll cool! Genau deswegen kiffe ich – weil ich mich dann so fühle. Krasses Gefühl, oder?“
Ein Freund von ihr sagte: „Hey, das klingt total entspannt. Da kann man so abschalten, und alles andere ist egal.“ Doch für sie selbst war es in diesem Zustand – also in dem Gefühl dieser Störung – nicht positiv erlebbar. Erst ganz am Ende, als sie schon lange in Therapie war, konnte sie es manchmal sogar genießen.
Also, sie hat darüber nachgedacht, warum sie glaubt, dass es sinnvoll ist, es auch so zu erzählen. Und sie ist sich selbst noch nicht so sicher. Sie ist noch ein bisschen zwiegespalten, weil es ja schon etwas sehr Intimes und Persönliches ist – und sie gleichzeitig aber glaubt, dass es das eigentlich nicht ist. Weil es eigentlich eine Erfahrung ist, die nichts Schamhafte oder Verbotenes an sich trägt, nichts, das einen Anlass dazu gäbe, es vor anderen Menschen nicht zu erzählen. Und sie findet, dass es etwas ist, das viel mehr normalisiert sein sollte – und auch nichts, was irgendeine Schuld beinhaltet oder einen dramatisch aufgeladenen Konflikt in ihr.
Sie denkt außerdem, dass es eine Frage der Wahrnehmung ist – weil viele das, was sie erlebt hat, tatsächlich auch einfach als Stressreaktion kennen. Es betrifft eigentlich sehr viele Menschen, nur wissen die meisten nicht, dass es so etwas wie eine Diagnose dafür gibt.
Viele, mit denen sie darüber gesprochen hat, sagten: „Ah ja, das Gefühl kenne ich.“ Aber sie wussten selbst nicht so richtig: „Oh, okay, was ist das eigentlich für ein Gefühl?“ Zu merken, dass es dafür wirklich einen Namen gibt, und dass man mit einem Therapeuten auch etwas dagegen tun kann, wenn man möchte – das ist, glaubt sie, sehr hilfreich.
Und dann ist ihr noch ein dritter Punkt eingefallen – einer, der fast eine abstrakte, künstlerische Ebene aufmacht. Denn die Wahrnehmungsstörung hat ihr auch ermöglicht, Reize ganz anders zu betrachten und sich ganz anders auf Dinge einzulassen.
Das prägt sehr, wie sie ihre Umgebung wahrnimmt. Für sie ist das etwas unfassbar Schönes – etwas sehr, sehr Faszinierendes. Sie glaubt sogar, dass mehr Menschen davon profitieren könnten, wenn sie sich öfter wirklich intensiv auf Dinge einließen, anstatt im Stress einfach daran vorbeizulaufen.
Mittlerweile aber hat sie daraus eine sehr große Akzeptanz ihr selbst gegenüber entwickelt. Denn im Therapieprozess hat sie immer mehr realisiert, dass sie nichts dafür kann, wie sie denkt und fühlt. Und dass sie es nur verändern kann, wenn sie zuerst akzeptiert, wie sie denkt und fühlt – dass es zu ihr gehört. Dass es nichts Schlimmes ist. Und dass sie genauso auch schöne Dinge denken und fühlen kann.