Aki Benemann

Nach den Atomwaffenabwürfen über Japan in den letzten Stunden des Zweiten Weltkriegs entstand in Deutschland der Wille, die Kräfte der Kernspaltung friedlich zu nutzen: Die Physikerin Aki E. Benemann war dabei! In den ersten Jahren der jungen Bundesrepublik war sie Teil einer Arbeitsgruppe, die Kernkraft zur Energiegewinnung entwickeln und vermarkten wollte – unter anderem im Team von Klaus Traube bei der Entwicklung eines „Schnellen Brüters“ in Kalkar.

Nachdem bereits in den 1990er-Jahren die Atomindustrie in Deutschland das Interesse an weiterer Forschung und Entwicklung verlor, suchte Aki E. Benemann nach ihren Wurzeln in Thüringen und rekonstruierte ihren eigenen Werdegang.

Heute lebt sie als Künstlerin in Leipzig. Wegen der ungelösten Atommüllprobleme steht sie der Atomkraft heute „mehr als reserviert“ gegenüber.

Aki Benemann

„Wir hatten dann – also mein Fahrrad, zwei Kutschen, einen Schlitten und Pferde – und da waren auch diese ganzen Stallungen. Und dahinter war noch eine Egge, mit der früher das Land bearbeitet wurde. Die lag im hohen Gras, ganz zugewachsen, schon halb verrottet. Also so eine Egge oder ein Pflug, mit denen sie damals gearbeitet haben. Die standen da immer noch – genauso wie früher. Und dann habe ich zu ihr gesagt: „Und zeig mir doch mal!“

Wir mussten nämlich während des Krieges immer in den Keller. Und ich wusste noch: Da ging es so eine Treppe runter, und in der Mauer war ein großes Loch. Da lag immer der große Schlüssel für die Waschküche – für die Firma, wo meine Mutter die Wäsche gemacht hat. Und da lag auch jetzt noch dieser rostige Schlüssel. Ich sagte: „Hier, guck mal – damit hat man das aufgeschlossen.“

Und er konnte es kaum noch aushalten. Selbst die Waschküche war noch da – mit den großen Steinbecken und allem Drum und Dran. Und dann sind wir in diesen Keller gegangen, in den wir immer mussten, wenn Fliegeralarm war. Also der Kartoffelkeller – der ging noch etwas tiefer, war gemauert mit roten Ziegeln, und es roch noch genauso wie früher: nach Kartoffeln und Feuchtigkeit.

Ich kam mir vor wie zu Hause. Wenn dieses Mädchen nicht dabei gewesen wäre – ich glaube, ich hätte geweint. Also, wenn mein Kollege nicht auch noch dagewesen wäre… Das war das Ergreifendste, was ich je erlebt habe.

Da war noch diese Bank an der Wand, auf die wir uns immer setzen mussten. Ich mit meinen zwei kleinen Schwestern – oder zwei kleinen Geschwistern. Die Kleinste hat immer geheult, da musste ich besonders aufpassen.

Wir mussten immer schon früher in den Keller, obwohl meine beiden älteren Geschwister und meine Eltern noch oben im Haus waren. Und da war eben diese Holzbank, da mussten wir uns hinsetzen.  Meine Schwester, ein Bruder saß da, und ich saß immer so schräg, weil es nämlich immer hieß: „Wenn ihr nicht brav seid, kommt ihr in den Keller – da sind die Ratten!“

Und in diesen Keller mussten wir auch immer, wenn Krieg war – bei Bombenangriffen oder schon beim Sirenengeheul. Und ich saß da auf dieser Bank und dachte immer: Gleich kommen die Ratten. Ich hatte viel mehr Angst vor den Ratten als vor den Bomben. Und meine Mutter schimpfte: „Wenn du jetzt nicht ruhig bist, dann bekommst du dein Weihnachtsgeschenk nicht!“ – oder so ähnlich. Es war furchtbar da unten. Und der Keller war noch genauso furchtbar wie damals, roch noch genauso.

Die Bank stand noch da, als wir hingingen. Draußen auf der Straße – das Haus daneben war noch genau dasselbe. Da war früher eine Bäckerei. Und da war dieser Durchgang, wo wir immer gespielt haben. Es war alles noch genauso – und das nach 40, 50 Jahren!

Hinten im Garten – das war damals ein großer Garten – da hatten wir mehrere Beete. Jetzt war das ein Gemüsegarten geworden. Die Familien, die heute dort wohnen, hatten dort ihr Gemüse gepflanzt. In einem kleinen Teilbereich saß eine alte Frau, ganz schrumpelig und klein.

Und dann habe ich mich, nachdem ich alles abgegangen war, ganz vorsichtig daneben gesetzt. Aber sie hat gar nicht gemerkt, dass sich jemand neben sie gesetzt hatte – oder wir beide. Und irgendwann habe ich gesagt: „Hallo, ich habe hier früher mal gewohnt.“ Und auf einmal wurde diese alte Frau lebendig. Sie schaute mich an und sagte: „Hier? Hier haben Sie gewohnt?“

Ich sagte: „Ja, wir hießen Timmermann.“ Und plötzlich – aus ihrem ganzen stillen, starren Zustand heraus – sagte sie: „Ach, der alte Unverstand! Oh, der war aber…“ – das konnte sie sagen, sie erinnerte sich. Und dann habe ich ihr erzählt, dass wir 1949 geflüchtet sind. Damals gab es diese Fluchthelfer, in unserem Fall war es eine Frau…“


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