Jürgen Schupp über das „Bedingungslose Grundeinkommen“

Jürgen Schupp ist Professor für Soziologie, insb. Methoden der empirischen Sozialforschung, am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin und Wissenschaftler (Senior Research Fellow) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Am 24. Juli kam Jürgen zum Interview in die Bertolt-Brecht-Schule nach Darmstadt. Am Ende stehen 10 kurze Videos rund um das Thema Bedingungsloses Grundeinkommen. Viele der genannten Aspekte beleuchten sehr gut einen Mangel im momentanen Umgang miteinander: Vertrauen, Rücksicht, Zufriedenheit, Geundheit, individuelle Verwirklichung.

Jürgen Schupp zur Wohlfahrtsasymmetrie von Wachstum und Verlust: „Dass es vergleichsweise schwer ist, Menschen positive Glücksempfinden signifikant im Sinne von bedeutsam. Also da ist ein Ausschlag, dass es besser wird zufriedener. Das ist vergleichsweise selten in der ganzen Forschungsliteratur anzutreffen, sondern in der Regel trifft das zu, was die Psychologen unter der Adaption These verstehen, nämlich die Tatsache, dass die Menschen gerade bei Zufriedenheit und so subjektiven Empfinden rasch wieder zu ihrem sogenannten Setup point, also dem Punkt, wo sie nach Geburt oder nach sozialer Sozialisation ausgegangen sind, zurück zu schwingen.“
Jürgen Schupp über die DNA von unserem gegenwärtigen System der sozialen Sicherung:
„Selbsthilfe heißt: Wenn ich über Vermögen verfüge, dann muss ich mir erst selbst helfen und mein Vermögen aufzehren, bevor mir geholfen wird und der Staat dann steuerfinanziert mich unterstützt und mein Antrag bewilligt. Also wenn ich einen Antrag stellen würde und würde ankreuzen, ich verfüge über Rücklagen von einem sechsstelligen Betrag, dann würde mein Antrag sofort abgelehnt und meinen laufenden Unterhalt müsste ich erst mal mit dem Verzehr, wie es so schön heißt in der Wirtschaftswissenschaft, meines Vermögens bewerkstelligen.“
Jürgen Schupp zum Bericht über die vermeintliche Unfinanzierbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland
„Und siehe da: Knapp die Hälfte oder rund die Hälfte findet durchaus die Idee von einem Grundeinkommen sehr sympathisch, also deutlich. Und insbesondere jüngere Leute, Leute mit höherer Bildung, Leute mit geringeren Einkünften, Leute mit eher einer linken politischen Einstellung haben signifikant höhere Sympathie für ein Grundeinkommen als jetzt die ältere Generation oder diejenigen, die über höhere Einkommen verfügen. Also sprich, man könnte auch mit dem Thema Grundeinkommen vielleicht durchaus auch in traditionellen Parteien für Sympathie und Werbung für Wählerstimmen sorgen.“

Jürgen Schupp über das Klimageld und weshalb das Gleichheitsprinzip künftig die überlegene Gerechtigkeitsnorm werden könnte: „Grundeinkommen gibt es sowas schon? Es wird nur nicht so getauft, aber es befindet sich schon ein solches Konzept in dem neuen Koalitionsvertrag unter dem Stichwort Klimageld! Was ist das? Wir haben nur noch wenige Jahre Zeit für die Bewältigung der Transformationskrise und zu energetischen Elementen der Energiegewinnung und müssen weg von den fossilen Brennstoffen … Wir sollten das über den Preis regeln. Das heißt, wir müssen den Preis von CO2 hoch setzen. Also eine CO2 Bepreisung einführen, international, national, möglichst europäisch. Und die Einnahmen wieder an die Menschen verteilen, so kann jede Person selbst regeln wieviel er in sein Energieverbrauch investiert, also ob er das Auto stehen lässt oder ein Vielfahrer bleibt …“
Jürgen Schupp zur Kindergrundsicherung und den schleichenden Transformationspfad eines Grundeinkommens „Grundsicherung stückchenweise? Kindergrundsicherung wird, glaube ich, wirklich der erste Schritt sein. Wie kann man sich so ein Transformation oder so ein schleichender Transformation Pfad jetzt vorstellen und dass er weiter diffundiert? Ich glaube, die nächste Gruppe, die dann am in den Genuss käme, wäre die Gruppe der Jugendlichen und die Gruppe der Ausbildungsvergütung. Also sprich die Zeit wo ich noch in mein Humankapital die knappste Ressource, über die die Bundesrepublik gerade auch in Zeiten von Fachkräftemangel auch demografisch in den nächsten Jahren Jahrzehnten verfügen muss.“
Jürgen SchuppJürgen Schupp zum Vertrauen, Vertrauenskrise und neuer Vertrauenskultur: „Wenn wir den Aspekt des vielfach diskutierten Vertrauens zwischen Menschen und auch Vertrauens der Zivilgesellschaft zu den Institutionen einer Gesellschaft sich darstellen. Also institutionelles Vertrauen haben wir natürlich vielfach. Sozialwissenschaftler, Politikwissenschaftler sprechen von Vertrauenskrise, die in den letzten Jahren zugenommen hat und die Frage bei einem Grundeinkommen ist Könnte vielleicht so eine Umkehr oder so eine normative Umkehr auch eine positive Vertrauenskultur schaffen?“
Jürgen Schupp zum „einfach wissen“ wollen und Pfaden in die Zukunft: „Also man kann mit dem Thema glaube ich jetzt in der ja traditionellen Forschung vielleicht noch im Moment keinen Lorbeerkranz gewinnen, weil das nicht Mainstream ist, sich mit Grundeinkommen zu beschäftigen. Aber ich glaube, wenn es gut aufgebaute, methodisch ordentlich aufgelegte Forschung ist, ist es sehr wohl möglich. Und deshalb war auch für mich der Schritt, mit einer NGO zusammenzuarbeiten und nicht mich mit der Idee sozusagen.“
Jürgen Schupp zu seinem persönlichen Weg zum Thema Grundeinkommen: „Vielleicht noch ein Satz über mein Interesse oder mein gewachsenes Interesse zum Grundeinkommen. Also für mich war Grundeinkommen lange Zeit eine schöne Utopie, aber auch auch nicht finanzierbar …ich habe mich da dem Mainstream der Kritiker sozusagen eingeordnet. Ulrich Beck, ein bekannter Soziologe, den ich auch toll fand in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, der mit der Risikogesellschaft sozusagen Standards gesetzt hat in der Sozialwissenschaft hat über ein Bürgergeld Konzept mal nachgedacht, um auch quasi die wachsende Zahl an nicht Erwerbstätigen zu integrieren …“
Jürgen Schupp über Haarproben und Registerverknüpfungen: “ … dass wir unsere „Erfassung“ auch verknüpfen können mit den Registern, die die amtliche Statistik in der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hat. Also zu ihrem Versicherungsvermittler, ihrem bisherigen Erwerbsquelle, auf ihren objektiven Daten auch zur Entlohnung und Ähnliches mehr. Das ist schon eine wichtige Erweiterung. Die wurde auch in dem finnischen Experiment zum Grundeinkommen durchgeführt.“

Jürgen Schupp zum gegenwärtigen Charme des Begriffs Grundeinkommen in der Politik: „Also ich habe schon berichtet, dass es in der Bevölkerung durchaus die große Zustimmung gibt und allein der Begriff Grundeinkommen wird natürlich teilweise auch von der traditionellen Politik in ganz geschickter Weise, ich würde mal sagen, gekapert. Ein Beispiel war sozusagen der regierende ehemalige Regierende Bürgermeister in Berlin, Michael Müller, der mit einem solidarischen Grundeinkommen die Debatte auch um die Reform von Hartz vier ein Stück weit bereichert hat.“

„DIW Berlin kooperiert mit Verein Mein Grundeinkommen und begleitet drei Jahre lang experimentelle Studie mit 1500 ProbandInnen wissenschaftlich – 140.000 private SpenderInnen finanzieren Studie – Rekrutierungsphase der StudienteilnehmerInnen beginnt ab sofort.
Die derzeitige Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen beruht selten auf fundiertem Wissen. Eine gemeinsame Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und des Vereins Mein Grundeinkommen soll das ändern und neue, empirische Maßstäbe setzen. „Diese Studie ist eine Riesenchance, um die uns seit Jahren begleitende theoretische Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen in die soziale Wirklichkeit überführen zu können. Bisherige weltweite Experimente sind für die aktuelle Debatte in Deutschland weitgehend unbrauchbar. Mit diesem lang angelegten Pilotprojekt für Deutschland betreten wir wissenschaftliches Neuland“, sagt Jürgen Schupp, Senior Research Fellow des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) am DIW Berlin.
Mit dem heutigen Tag beginnt die Rekrutierungsphase für am Ende 1500 ProbandInnen der Langzeitstudie, von denen 120 nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden, die drei Jahre lang monatlich 1200 Euro erhalten – bedingungslos. Die restlichen einbezogenen 1380 StudienteilnehmerInnen dienen als Vergleichsgruppe, um sichergehen zu können, dass in der Studie zu beobachtende Veränderungen tatsächlich auf das ausgezahlte Grundeinkommen zurückzuführen sind.
„Wir wollen herausfinden, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen Menschen und Gesellschaft verändert. Wir wollen wissen, was es mit Verhalten und Einstellungen macht und ob das Grundeinkommen helfen kann, mit den gegenwärtigen Herausforderungen unserer Gesellschaft umzugehen“, sagt Michael Bohmeyer, Initiator des Vereins Mein Grundeinkommen.
Das bedingungslose Grundeinkommen wird schon seit vielen Jahren diskutiert. Es soll Probleme lösen, die durch den demografischen Wandel, die Digitalisierung und Automation entstehen können. Dabei sind in Hinblick auf die Details ganz unterschiedliche Konzepte Grundlage für die Diskussion. So ist nicht geklärt, welche Höhe ein solches Grundeinkommen haben sollte, welche Sozialleistungen dadurch ersetzt werden können und vor allem, wie es zu finanzieren ist. In der Praxis wurde es als Feldexperiment in Finnland durchgeführt. Hier wurde vor allem die Frage gestellt, inwieweit das Grundeinkommen bei Arbeitslosen Arbeitsanreize auslöst oder schwächt.“
(Quelle: >>> https://www.diw.de/de/diw_01.c.797109.de/erste_langzeitstudie_deutschlands_zur_wirkung_des_bedingungslosen_grundeinkommens.html)

Jürgen Schupp ist Professor für Soziologie, insb. Methoden der empirischen Sozialforschung, am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin und Wissenschaftler (Senior Research Fellow) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Von 2011 bis 2017 war er dort Direktor der forschungsbasierten Längsschnittstudie Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Methoden der empirischen Sozialforschung, Soziale Indikatoren, soziale Ungleichheit, soziale Sicherung sowie Modellen von Grundeinkommen.

Jürgen verbrachte seine Kindheit in Griesheim und machte sein Abitur im Jahr 1975 an der Georg-Büchner-Schule in Darmstadt. Anschließend studierte er zunächst Volkswirtschaft an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz und wechselte dann an die Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt am Main, wo er sein Studium als Diplom-Soziologe abschloss. Im Jahr 1984 zog Jürgen nach Berlin.

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