Wilhelm Walther wurde am 28. Januar 1889 in Grebenau als ältester Sohn des Dr. Philipp Walther, Oberförster und großherzoglich-hessischer Ministerialrat (Abb. 1), und Pauline geb. Heß geboren. Sein Bruder Erwin war im Ersten Weltkrieg gefallen. Willy Walther – wie er sich auch offiziell nannte – besuchte das Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt und studierte anschließend evangelische Theologie u.a. in München, Heidelberg, Marburg an der Lahn und Tübingen.
„Hochgewachsen, dunkelhaarig und forschenden Auges fiel der eigengängerische Gymnasiast schon rein äußerlich auf und machte wegen seiner musikalischen Begabung von sich reden“ (Darmstädter Echo, 27. Januar 1959).
Zeichnungen von E.P. Brennecke und Wilhelm Bader (Abb. *2 und *3 im Anhang) sowie Kabinettfotografien (z.B. von Willy Maas, Marburg an der Lahn) (Abb. 4) zeigen ihn als adretten Menschen mit „einem schönen römischen Kopf“ (Friedrich Gundolf an Stefan George, 1909). Er fand Aufnahme in den Münchner Kreis um Stefan George, Hanna und Karl Wolfskehl. Schon bald jedoch ging er zu George auf Distanz und seine eigenen Wege.
Mit Zudringlichkeiten, Bettelbriefen und schließlich auch Strafanzeigen gegen vermeintliche Feinde machte er sich bei seinen Freunden zusehends unbeliebt und wurde für seine Familie immer wieder zum Problem. 1920 betrieb sein Vater, der ihn bisher finanziell unterstützt hatte, ein erstes Entmündigungsverfahren gegen seinen Sohn, woraufhin Willy zeitweise in die psychiatrischen Anstalten Gießen und Goddelau eingeliefert wurde. (Abb. 5)
Willy verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Zeichner (Abb. 6 und 7), Grafiker, Schriftsteller und Komponist. Er vertonte u.a. Gedichte von Stefan George, Friedrich Hölderlin und Karl Wolfskehl (Abb. *8 im Anhang), zu dem er seit der Schulzeit in Darmstadt einen freundschaftlichen Kontakt pflegte. Die Bayerische Israelitische Gemeindezeitung berichtet noch am 15. November 1934 von Walthers neuen Gesängen nach Texten von Karl Wolfskehl (Abb. *9/9a im Anhang) – darunter das Lied „Vom Nebo“ (Abb. *10 im Anhang), welches die Konzertsängerin Ruth Kisch-Arndt im gleichen Jahr im jüdischen Musikverein Breslau „mit ganz großem Erfolg“ aufgeführt hat. Vermutlich wurden Walther seine freundschaftlichen Verbindungen zu jüdischen Künstlern und seine Ablehnung des Antisemitismus zum Verhängnis. (Brief vom 18. Januar 1935 an Karl Wolfskehl, Literaturarchiv Marbach) (Abb. *11/11a im Anhang)
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1936 wurde die „tragische Dichtergestalt“ Wilhelm Walther aus der Schweiz ausgewiesen (Abb. 12) (dazu auch Abb. *13/13a im Anhang), beim Grenzübertritt verhaftet und zunächst in das Gestapo-Gefängnis im Wittelsbacher Palais in München und schließlich am 13. Februar 1937 in Dachau in „Schutzhaft“ genommen. Drei Koffer mit einer Auflistung der „überzähligen Effekten“ wurden vom Konzentrationslager Dachau im Mai 1937 nach Darmstadt in das elterliche Haus in der Martinstraße 40 geschickt (Abb. 14). In seinem letzten erhaltenen Brief aus Dachau „beneidet“ er die Toten. (Abb.*15/15a im Anhang)
Am 28. September 1939 wurde Willy in das Konzentrationslager Mauthausen überführt; in der Lagerliste wurde er unter der Berufsbezeichnung „Künstler“ registriert. Am 24. Februar 1940 bekam seine Mutter ein Telegramm, in dem ihr sein Tod „am heutigen Tag“ mitgeteilt wurde (Abb. 16). Seine Asche wurde aus Mauthausen an die Eltern geschickt; am 7. Mai 1940 wurde die Urne auf dem Friedhof in Groß-Gerau bei Darmstadt beigesetzt.
Wilhelm Walther, Geboren 28.1.1889 in Grebenau / Gestorben 24.2.1940 in Mauthausen
(Originaltext von Michael Hagemann für das Gedenkbuch des KZ Mauthausen, ergänzt von Karl-Reinhard Volz, 2023)
*ANHANG
Die Bayerische Israelitische Gemeindezeitung berichtet noch am 15. November 1934 von Walthers neuen Gesängen nach Texten von Karl Wolfskehl (Abb. *9/9a) – darunter das Lied „Vom Nebo“ (Abb. *10), welches die Konzertsängerin Ruth Kisch-Arndt im gleichen Jahr im jüdischen Musikverein Breslau „mit ganz großem Erfolg“ aufgeführt hat.
Vermutlich wurden Walther seine freundschaftlichen Verbindungen zu jüdischen Künstlern und seine Ablehnung des Antisemitismus zum Verhängnis. (siehe dazu den Brief vom 18. Januar 1935 an Karl Wolfskehl, Quelle: Literaturarchiv Marbach) (Abb.*11/*11a)
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Darmstadt, Martinstraße 40, 18. Januar 1935
Sehr verehrte, lieber Herr Wolfskehl,
es bereitet Ihnen sicher ein kleines Amüsement, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich vorgestern durch zwei Abgesandte der hiesigen Staatspolizei in meinem Mittagsschlaf gestört wurde, die mich in Sachen meiner Ehrengabe für den Dichter Karl Wolfskehl sprechen wollten, – gestern wurde ich noch schriftlich zu Protokoll vernommen. Nun, ich habe mich verteidigt, und hatte zuletzt auch den Eindruck, dass die Sache nicht so schlimm genommen wird, obwohl „man“ mich zuerst bedeutete, mit dem Nationalsozialismus habe dies nichts zu tun. Man stützte sich übrigens auf die Besprechung in den „Basler Nachrichten“ vom 5. November 1934 (die mir bisher ganz unbekannt war), worin vom „Bekenntnis zum Judentum“ die Rede ist; angeblich ist diese Nummer in Deutschland verboten, wie mir der Sendbote der Staatspolizei sagte. Offenbar handelt es sich, wie der gleiche meinte, um „einen guten Freund“. Die Denunziation geht also offenbar von hier aus, was mich auch gar nicht wundert.
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Ich teile Ihnen noch mit, dass meine Besprechung ihrer neuen Gedichte vom W. Dienemann in Offenbach angenommen ist und wohl in der nächsten Nummer seines Blattes erscheint. Ich sende sie Ihnen dann.
Lassen Sie mich bitte noch wissen, ob ich Ihnen mein neuestes Buch widmen darf. Es wäre mir eine Ehre und Freude. Es [wird] sicher gut.
Wünsche Ihnen alles Gute weiterhin.
Mit herzlichem Gruß
Ihr Willy Walter
(Hoffentlich schenken Sie uns noch mehr Gedichte).