Mit dem Fachabitur hat Jonah die Schule verlassen. Es waren zu viele Reize und Assoziationsketten, mit denen er sich während des Unterrichts auseinandersetzen musste. Für einen Menschen mit starker Beeinträchtigung durch ADHS bewertet er seine Schulkarriere im Moment dennoch als Erfolg …
JONAH: „Ich tue mich damit einfach schwer. Es sind oft die Schüler:Innen, die mich ablenken, aber eigentlich können sie nichts dafür. Sie verhalten sich ganz normal, machen übliche Geräusche, führen Gespräche – all das ist völlig selbstverständlich. Trotzdem stört mich das. Mit der Zeit kommt man dann irgendwann zu dem Schluss, dass man selbst das Problem ist, nicht die anderen. Und dann erkennt man, dass man an sich selbst etwas ändern muss, um wieder in die Situation hineinzupassen.“
JONAH: „Quietschen oder Hupen, auch Autos, Motorräder oder Krankenwagen, die besonders laut sind – bei all diesen Geräuschen zucke ich zusammen und halte mir die Ohren zu, weil es oft plötzlich und extrem laut wird. In der Schule sind es dann Dinge wie Papier, das über den Tisch kratzt, Stifte, die klacken, das Scharren von Stühlen, Niesen oder Atmen – eigentlich alles, was selbst ein kleines Geräusch verursacht.
Jedes Geräusch, das stark auf mich wirkt. Auch Gespräche sind intensiv; wenn zu viele Menschen gleichzeitig reden, fühlt es sich an, als würde ich jedes Gespräch einzeln wahrnehmen. Aber ich kann ja nicht fünf Gesprächen gleichzeitig folgen, und dann stürzt alles in meinem Kopf zusammen, sodass ich am Ende gar nichts mehr verstehe.
Starke Reize sind auch Lichter, etwa in der Innenstadt, wie ich schon erwähnt habe. Die grellen Farben der Boutiquen, die Straßenlaternen – vor allem nachts – überwältigen mich.
Gerüche sind ebenfalls intensiv. Neulich war ich in Frankfurt und hatte das Gefühl, die Stadt selbst zu riechen. Gerüche nehmen den Raum sofort ein und haben wohl den stärksten Einfluss auf mein Wohlbefinden, weil sie meine gesamte Wahrnehmung verändern. Wenn ich dann zum Beispiel mitten in einer Assoziationskette bin, komme ich aus dem Gedankengang nicht mehr heraus – dieser Geruch dominiert alles und lässt keinen Raum für anderes. Es bleibt nur dieser Geruch und das begleitende Geräusch, und das war’s. Ich kann kaum noch an etwas anderes denken, wenn der Geruch mich so stark einnimmt.
Das fällt mir besonders in Gruppen schwer, etwa wenn ich in einer Bar oder unter Freunden sitze und mehrere Leute durcheinander sprechen. Wenn mich dann jemand anspricht, kann ich kaum auf das Gespräch eingehen, weil im Hintergrund all die anderen Gespräche und Geräusche meine Aufmerksamkeit beanspruchen. Irgendwann ärgere ich mich, dass ich dem Gespräch nicht folgen kann, obwohl ich es möchte – die Reize sind einfach zu überwältigend.
Orte wie Restaurants, Jahrmärkte oder Messen, die viele Leute als schön empfinden, sind für mich oft eine komplette Überforderung.“
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